Spracherwerb

Wissenschaftliche Erkenntnisse

Seit vielen Jahrzehnten wird der Spracherwerb bei Kindern wissenschaftlich erforscht – nicht zuletzt mit dem Ziel Computern das Sprechen zu lehren. Allein daß dies in all den Jahren auch nicht annähernd gelungen ist zeigt, daß der Spracherwerb eine hochkomplexe Sache ist und das menschliche Gehirn dabei absolute Höchstleistungen zu erbringen hat.

Neuste Veröffentlichungen gehen davon aus, daß Menschenkinder mit speziellen Wahrnehmungsfähigkeiten ausgestattet auf die Welt kommen, die es ihnen erlauben Sprache(n) zu erlernen, und zwar völlig unabhängig davon um welche menschliche Sprache es sich handelt. Es konnte aber auch gezeigt werden, daß diese Wahrnehmungsfähigkeiten in dem Maße schwinden, in dem sie sich durch den Lernprozeß im Gehirn verfestigen.

Eine zentrale Rolle beim Spracherwerb spielt in jedem Fall das Ausmaß des Kontakts mit der Sprache und die damit verbundene soziale Interaktion. Unterbleiben der frühzeitige Kontakt mit der Sprache und die dazu nötige soziale Interaktion oder sind diese aus irgendwelchen Gründen gestört, kommt es zu lebenslangen Veränderungen in den sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten, die bis hin zu echten Behinderungen reichen.

Die moderne Neuropsychologie hat nachgewiesen, daß das Lernen von Sprache dazu führt, daß bestimmte Regionen im Gehirn für deren Verarbeitung sozusagen reserviert und besonders „verdrahtet“ werden.  Man spricht in diesem Zusammenhang von einer kritischen oder sensitiven Phase für den Spracherwerb. Ist diese Prägungsphase vorbei, hat sich das Gehirn auf Dauer auf bestimmte Muster festgelegt und lernt ähnliche Muster leichter, blendet aber andererseits Muster aus, die diesen Prägungen nicht entsprechen. Das heißt, daß die Qualität dieser Prägungsphase darüber entscheidet, ob später besser oder weniger gut gelernt wird, sowohl im Bezug auf Sprache als auch im Bezug auf andere Dinge wie Mathematik, soziale und praktische Fähigkeiten, usw.


Die Laute - Phonetik

Am offensichtlichsten sind diese Prägungen im Bereich der Phonetik. Die Sprachen der Welt nutzen etwa 600 Konsonanten und ungefähr 200 verschiedene Vokale. Die einzelne Sprache beschränkt sich jedoch weltweit auf nur etwa 40 unterschiedliche lautliche Elemente, die dazu dienen Wörter zu unterscheiden. Kleine Kinder verfügen tatsächlich über die Fähigkeit, praktisch alle möglichen Laute und Lautkombinationen zu unterscheiden und zu produzieren, während diese Fähigkeit mit zunehmendem Alter immer mehr abnimmt.

Die meisten Erwachsenen können nur unwesentlich mehr als die ungefähr 40 sprachlichen Laute unterscheiden, die sie für ihre eigene Sprache brauchen. Versuche haben gezeigt, daß zum Beispiel die Bandbreite der Aussprache eines Vokals oder Konsonanten von Sprache zu Sprache stark variieren kann. Die Übergänge zwischen den einzelnen Lauten sind fließend und in den einzelnen Sprachen höchst unterschiedlich. Der Deutsche ordnet zum Beispiel den englischen Laut „th“ unter die Kategorie „s“ (mit Sprachfehler) ein, während für den Engländer das ein eigener Laut mit besonderer Funktion ist. Erwachsene können für gewöhnlich nur die Bandbreite an Lauten wahrnehmen, die zu ihrer Vorprägung paßt. Dementsprechend ist ein gängiger Fehler von Deutschen, die Englisch sprechen, das „th“ an falscher Stelle oder überhaupt nicht zu sprechen, was der Muttersprachler dann als ein Element des typisch deutschen Akzents wahrnimmt.

Kleinkinder brauchen viel Zeit, die für ihre Sprache bedeutungsvollen Lautunterschiede zu lernen und sachgerecht zuzuordnen. Sie haben es ja schließlich nicht mit völlig einheitlichen Lauten zu tun, die immer gleich sind. Ein Laut variiert von Sprecher zu Sprecher, von Tageszeit zu Tageszeit, von Laune zu Laune… Es erfordert viel Übung, die objektiv verschiedenen Laute dem sprachlich bedeutungsvollen Laut zuzuordnen. Kinder sind mit dieser Aufgabe von Geburt an beschäftigt.

In vielen Experimenten wurde nachgewiesen, daß Kinder im Alter von 6 Monaten noch so gut wie alles unterscheiden können, unabhängig von ihrer Herkunft, daß aber schon mit 12 Monaten die meisten fremdsprachlichen Laute für sie nicht mehr wahrnehmbar sind. In dem Maße wie die Fähigkeit zur Lauterkennung in der Breite abnimmt, nimmt die Fähigkeit zur Lauterkennung in der Muttersprache zu.


Die Worte - Semantik

Die Unterscheidung der Laute allein, macht aber noch keine Sprache. Die Laute müssen auch noch sinnvoll zu Wörtern verarbeitet werden. Dabei spielen wieder hochkomplexe Vorgänge ineinander. Die Kinder lernen zum Beispiel (selbstverständlich unbewußt) mit statistischen Wahrscheinlichkeiten bestimmte Lautkombinationen als Wortanfang oder –ende zu identifizieren. Dabei nutzen sie rhythmische Muster wie zum Beispiel „lang-kurz“ oder “betont-unbetont“, wie sie im Deutschen oder auch im Englischen typisch sind. Denken Sie an die Aussprache von „Fahrrad“ oder „kochen“. (In anderen Sprachen ist das Muster umgekehrt, z.B. in Polnisch oder auch Französisch). Mit 18 Monaten können Kinder auf diese Weise etwa 150 Wörter sicher erkennen und ca. 50 davon selbst sprechen.


Die Sätze - Grammatik

Parallel zur Fähigkeit einzelne Wörter zu erkennen, bildet sich die Grammatik aus. Als erstes werden Aussage, Frage und Aufforderung unterschieden, und zwar vorwiegend aus der Sprachmelodie heraus. Mit 18 Monaten können Kinder nicht nur ca. 50 Wörter selbst sprechen, sondern im allgemeinen auch zum Ausdruck bringen, ob sie Aussage, Frage oder Aufforderung meinen. Jeder kann hören, ob ein Kind einfach nur „Ball“ sagt oder ob es „Ball?“ oder „Ball!“ sagt.

Im Laufe der Zeit kommen dann umfangreichere Satzgebilde mit zwei und mehr Wörtern dazu. Wie dieser Lernprozeß funktioniert, weiß zur Zeit niemand. Es gibt ein paar Hypothesen, die aber zum größten Teil noch nicht wirklich erforscht sind.


Die Frage für Eltern ist natürlich: „Was bedeutet das für mich und mein Kind?“

Die erste Antwort darauf ist ganz einfach: Reden Sie viel mit Ihrem Kind in einfacher Sprache und verbinden Sie die Worte mit Zuwendung und Handlung.

Die zweite Antwort ist etwas komplizierter: Bieten Sie Ihrem Kind sprachlichen Input aus verschiedenen Sprachen an und erlauben Sie ihm auf diese Weise mehr verschiedene Muster im Gehirn zu prägen, die es dann später leichter machen mehr zu lernen. Dabei gilt ganz klar: Es ist nie zu früh, aber schon früh zu spät!

Da nicht alle Familien das Glück haben mehrsprachig zu sein, gibt es immer mehr Angebote zum Sprachunterricht für Kleinkinder und Babys. Auch die Zahl mehrsprachiger Kinderbetreuungseinrichtungen für alle Altersstufen nimmt stetig zu.

Dabei ist die Qualität der Lernumgebung von zentraler Bedeutung. Das wichtigste für Babys und Kleinkinder ist die Person des Lehrers/der Lehrerin. Sie sollte so muttersprachennah wie möglich die jeweilige Zielsprache sprechen und direkt mit den Kindern kommunizieren und spielen. Kein Medium kann diesen direkten menschlichen Kontakt ersetzen.

Am besten ist es natürlich, wenn der Kontakt mit der Zielsprache und der Person des Lehrers/der Lehrerin täglich stattfindet. Das ist außer in mehrsprachigen Familien oder Betreuungseinrichtungen natürlich kaum zu gewährleisten. Eine gute Alternative dazu sind altersgerechte Hörmaterialien. Nach den bisherigen Erfahrungen sind jedoch Filme oder Fernsehen für kleine Kinder eher ungeeignet. Ab dem Schulalter kann Hörmaterial und Unterricht durchaus auch mit kurzen Filmen ergänzt werden. Zentral bleibt jedoch auch dann der Unterricht mit einer Lehrkraft, die motiviert und für immer neuen Spaß an der Sprache sorgt.

Wissenschaftlicher Inhalt nach:

Neuroscience, Volume 5, November 2004

Sehr gute Informationen zur Immersionsmethode findet man unter www.fmks-online.de, leider werden nur mehrsprachige Einrichtungen berücksichtigt, nicht der Unterricht in speziellen Kursen.

Leicht zugänglich ist auch der Artikel aus dem Spiegel: „Dem Gehirn ist das Wurscht“, der am 05.10.2005 veröffentlicht wurde, einfach den Titel googeln.

Wenn Sie Fragen zum Thema haben www.sprachenschule-schwabach.de